Benzodiazepinabhängigkeit

Die „Benzo“ Sucht

Süchtig machendes Benzodiazepin

Benzodiazepine sind Beruhigungsmittel mit einem weiten Einsatzbereich. Häufig sind sie bei Angst- oder Schlafstörungen das Mittel der Wahl. Allerdings ist Vorsicht geboten: Benzodiazepine können nach bereits kurzer Zeit abhängig machen.

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Unter dem Begriff Benzodiazepine versteht man eine Gruppe von Wirkstoffen, die dämpfend auf das Zentralnervensystem wirken. Sie werden daher vor allem zur Entspannung, Beruhigung oder zum Auflösen von Ängsten verwendet. Umgangssprachlich wird auch der Begriff Benzo bzw. Benzos verwendet.

Wirkung von Benzodiazepinen

Benzodiazepine werden typischerweise überall dort eingesetzt, wo eine entspannende und beruhigende Wirkung wünschenswert ist:

  • Angststörungen
  • Schlafstörungen
  • Erregungszustände
  • Muskelverkrampfungen
  • Zerebrale Krampfanfälle
  • vor Operationen

Je nach Anwendungsbereich kommen unterschiedliche Präparate zu Einsatz, die sich in ihrer Wirkung jedoch stark ähneln. Sie alle dämpfen Empfindung von Gefühlen und senken Spannung, Erregung und Angst.

Am Anfang der Behandlung wird die Wirkung von Benzodiazepinen als überaus hilfreich empfunden: Sie halten die Belastungen des Alltags fern und die eigenen Gefühle unter Kontrolle. Bei längerer Anwendung kann es jedoch zu einem Abflachung des Gefühlempfindens kommen.

Die genaue Wirkung hängt vom verschriebenen Präparat und individuellen Faktoren ab. Ihr Arzt wird das für Sie am besten geeignete Medikament in der entsprechenden Dosierung verschreiben. Dabei müssen eine Reihe an Rahmenbedingungen beachtet werden. So wirken etwa manche Benzodiazepine bei älteren Menschen länger oder eignen sich besonders gut für spezifische Leiden.

Suchtgefahr bei „Benzos“

Bei längerer Behandlungsdauer steigt die Gefahr einer Abhängigkeit, daher sollten Benzodiazepine („Benzos“) nicht länger als unbedingt notwendig eingenommen werden. Die meisten Präparate sind für eine Behandlungsdauer von etwa einer bis zwei Wochen zugelassen.

Doch selbst bei einer ordnungsgemäßen Einnahme besteht Suchtgefahr. Ihr behandelnder Arzt weiß in der Regel über das Risiko einer Abhängigkeit bescheid. Aus diesem Grund bekommen Sie Ihr Medikament nur für einen begrenzten Zeitraum und nur für eine bestimmte Menge verschrieben.

Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann sich eine Abhängigkeit entwickeln. In diesem Zusammenhang wird häufig von einer „Low Dose Dependency“ gesprochen: Da für die Beschaffung ein Rezept notwendig ist, kann die Dosis nicht beliebig gesteigert werden – man ist zwar abhängig, aber auf einer verhältnismäßig geringen Dosis.

Abhängigkeit von Benzodiazepinen vermeiden

Zunächst sollten Sie sich der Gefahr, die von Benzodiazepinen ausgeht bewusst sein. Es ist gut und wichtig, dass Sie die von Ihrem Arzt verschrieben Medikamente wie verordnet einnehmen – bleiben Sie aber vorsichtig.

Nach einigen Tagen lässt die Wirkung der Benzodiazepine nach, man spricht von einer Toleranzentwicklung. Ihr Körper hat sich an die Medikamente gewöhnt und es wäre eine höhere Dosis notwendig, um den selben Effekt zu erzielen. Versuchen Sie es nicht! Steigern Sie unter keinen Umständen eigenmächtig die Dosis. Das selbe gilt für die Dauer der Einnahme.

Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Medikament in einer höheren Dosierung oder über einen längeren Zeitraum zu benötigen, besprechen Sie Ihren Wunsch zunächst mit Ihrem Arzt. Halten Sie sich unbedingt an die Verschreibung. Wenn Ihr Arzt einer Erhöhung bzw. einer Verlängerung nicht zustimmt, so gibt es dafür gute Gründe. In der Regel überwiegt die Gefahr einer Abhängigkeit einem möglichen Nutzen. Versuchen Sie also nicht, das Rezept von einer anderen Quelle zu erhalten oder es sich über Umwege zu besorgen.

Vermeiden Sie aber auch ein abruptes Absetzen der Medikamente. Selbst bei ordnungsgemäßer Anwendung kann es zu Entzugserscheinungen kommen. Das Ende der Behandlung sollte also Schrittweise erfolgen um den Köper über einige Tage langsam zu entwöhnen.

Beachten Sie folgende Punkte:

  • Verwenden Sie das Medikament ausschließlich zur Behandlung des Leidens, für welches es verschrieben wurde. Es mag verlockend wirken, es fallweise auch für andere Zwecken zu verwenden – tun Sie es nicht. Der Missbrauch von Medikamente kann ernste gesundheitliche Auswirkungen haben.
  • Halten Sie sich strikt an die verschriebene Dosierung.
  • Nehmen Sie Benzodiazepine nur so lange wie notwendig ein. Verlängern Sie auch nicht eigenmächtig die Behandlung, selbst wenn Sie das Gefühl haben, dass sich Ihr Zustand noch nicht genügend gebessert hat.
  • Achten Sie beim Beenden der Therapie auf ein schrittweises „ausschleichen“ des Medikaments.
  • Beachten Sie mögliche Nebenwirkungen. So kann etwa die Konzentrationsfähigkeit leiden oder die Sturzgefahr (v.a. bei älteren Menschen) steigen.
  • Mischen Sie Benzodiazepine nicht mit Alkohol oder anderen Suchtmitteln.

Nebenwirkungen von Benzodiazepinen

Bei der Einnahme von Benzodiazepinen kann es auch zu einer Reihe an unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Zu den häufigsten zählen:

  • Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens
  • Verringerte Leistungsfähigkeit
  • Erhöhtes Sturzrisiko / Gangunsicherheit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Müdigkeit / Schläfrigkeit
  • Muskelschwäche

Entzug von Benzodiazepinen

Wenn Sie bereits unter einer Abhängigkeit von Benzodiazepinen leiden und nun einen Entzug überlegen, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Niemals kalter Entzug
    Besprechen Sie den Wunsch nach einem Entzug mit Ihrem Arzt. Der Entzug kann sowohl stationär als auch ambulant stattfinden. Beide Möglichkeiten sind risikoloser und erfolgsversprechender, als den Entzug ohne ärztliche Unterstützung durchzuführen.
  • Schrittweise Reduktion
    Benzodiazepine müssen „ausgeschlichen“ werden. Darunter versteht man die schrittweise Herabsetzung der Dosis. So können Entzugserscheinungen minimiert werden und der Entzug fällt leichter.
  • Dauer des Entzugs
    Je nach Entzugsform (ambulant vs. stationär) dauert ein Entzug zwischen einigen Wochen bis zu 4 Monaten.
  • Unterstützung beim Entzug
    Ein Entzug sollte immer nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen. Besprechen Sie auch mögliche Nebenwirkungen und informieren Sie sich über medizinische Möglichkeiten, die Entzugssymptome zu lindern.

Benzodiazepine: Entzugssymptome

Der Entzug von Benzodiazepinen kann mit einer Reihe von Symptomen einhergehen. Im folgenden finden Sie eine Liste der häufigsten Entzugssymptome:

Entzugssymptom

Schlafprobleme

Stimmungsschwankungen

Muskelschmerzen

Kopfschmerz

Zittern

Übelkeit

Überempfindlichkeit gegenüber Licht / Geräuschen / Gerüchen / Berührungen

Schwitzen

Verändertes Bewegungsempfinden

Sehstörungen

Geschmacksveränderungen

Psychosen

Epileptische Anfälle

Wann Benzodiazepine nicht eingenommen werden dürfen

Menschen mit einer bestehenden Suchterkrankung sollten auf die Einnahme von Benzodiazepinen verzichten. Falls Ihr behandelnder Arzt noch nicht von Ihrer Suchterkrankung informiert wurde, ist nun ein guter Zeitpunkt.

Entwicklung einer Benzodiazepine Sucht

Auch wenn es individuelle Unterschiede geben mag, verlaufen Benzodiazepinabhängigkeiten in der Regel nach einem bestimmten Muster.

Da Benzodiazepine verschreibungspflichtig sind steht zu Beginn häufig die ärztliche Verordnung. Diese erste Phase ist weitgehend normal: Es spricht nichts gegen eine verantwortungsvolle, kontrollierte Therapie mit Benzodiazepinen. Die meisten Patienten entwickeln keine langanhaltende Abhängigkeit und beenden die Behandlung wie geplant.

In manchen Fällen kommt es aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einer zunehmenden Abhängigkeit. Die Gründe und Ursachen können anhand eines Models gut Beschrieben werden:

Phase 1:

In dieser ersten Stufe der Abhängigkeit wird eine vergleichsweise geringe Dosis eingenommen. Da es sich um verschreibungspflichtiges Medikament handelt kann die Dosis nicht erhöht werden und bleibt über einen langen Zeitraum konstant.

Allerdings kommt es aufgrund der dauerhaften Einnahme zu einer Toleranzentwicklung: Das Medikament wirkt nun nicht mehr so gut, der Patient spürt verstärkt die Symptome, die er ursprünglich behandeln wollte.

Phase 2:

Es kommt zu einer allmählichen, leichten Dosissteigerung. Der Patient versucht den Beschwerden, die er in Phase 1 erlebt mit einer Erhöhung der Dosis entgegenzuwirken. Zunächst funktioniert dies auch, doch bald reicht selbst eine gesteigerte Dosis nicht aus.

Nun nehmen die Nebenwirkungen zu. Die Betroffenen werden zunehmend inaktiver und antriebslos. Dazu kommen Konzentrationsschwächen und Gedächtnisstörungen. Diese Entwicklung kann über Wochen und Monate stattfinden und wird daher häufig nicht bemerkt.

In manchen Fällen wird die schleichende Verschlechterung zwar bemerkt, aber nicht mit der Medikamenteneinnahme in Verbindung gebracht. Gerade bei älteren Menschen wird von den Angehörigen häufig das fortschreitende Alter als Ursache gesehen, man hätte eben „geistig abgebaut“.

Phase 3:

Die dritte Phase entspricht einer typischen Sucherkrankung. Es kommt zu einer starken Dosiserhöhung. Nun werden alternative Quellen zur Beschaffung der Medikamente gesucht: Angebote aus dem Ausland, der Schwarzmarkt und wiederholtes Besuche bei unterschiedlicher Ärzte. Die Sucht beherrscht nun zunehmend große Teile des Lebens.

Merkmale einer Tablettensucht

  • DHS: DHS Suchtmedizinische Reihe Band 5: Medikamente
  • Thomas Geschwinde, Springer: 8. Auflage
Redaktionelle Bearbeitung: Benjamin Slezak
Erste Veröffentlichung:
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